Die Headshaker über den Zwiespalt mit sich selbst und dem Bergsport
Der Alpinismus in der westlichen Welt
Einer der Hauptgründe, wieso ich mich Jahre lang alleine bzw. mit meinem alten Freundeskreis in die Berge gewagt und mich konsequent von anderen Berggruppierungen ferngehalten habe, war die Befürchtung, dass ich die Lust am Bergerlebnis verlieren würde, sobald ich mich selbst gegenüber anderer Bergsteiger und deren Leistungen / Einstellungen stellen würde. Denn ich war stolz auf das was ich tat und wollte mich einfach nicht vergleichen.
Jetzt, nachdem ich in einigen Facebook-Gruppen bin und einige Leute kennengelernt habe, wird das Bild auch sehr klar. Das durchschnittliche Ego der Leute driftet zunehmend in die eine Richtung: Wer hat mehr HM, macht längere Touren, hat ein schnelleres Tempo, postet tollere Fotos, wagt mehr, geht öfter, geht höher, geht schon länger, erreicht mehr Aufmerksamkeit? Und selbst wenn man nur wissen möchte wie lang man auf die Zugspitze braucht, bekommt man sowas wie „3 Stunden“ zu hören, wobei einem sofort klar wird, dass 3h eher nicht die Zeit sein wird die unten ausgeschildert ist.
Die Motivation sinkt, wenn man das Gefühl bekommt 3x so lang zu brauchen wie Andere, oder? Oder vielleicht wird man einfach unterbewusst dazu genötigt, seine Leistungen zu steigern. Mitzuhalten. Dem Bergtrend zu folgen und seine eigenen, ursprünglichen Motive zu vergessen. Und selbst wenn man sich, wie ich, von all dem Wettstreit lossagen möchte, fängt man trotzdem selbst an stolz auf Gehzeiten, Höhenmeter oder Gipfelsiege zu sein und die auch zu zeigen. So war man früher ein Anfänger, der einfach drauflosgeht um was zu erleben, und landet Jahre später in einer Gesellschaft voller Bergverrückten, für die alles ein Spaziergang ist, was man bislang gemacht hat.
Ich habe durch diesen Einfluss meinen Weg oft verloren. Viele Leute in den Gruppen sind einfach stolz auf ihre Leistungen und ihre Art, Alpinismus zu betreiben und wollen sich nicht über andere stellen. Viele können gut damit umgehen und haben nicht den Druck sich zu profilieren, doch je sportlicher die Werte, desto wahrscheinlicher werden sie dir präsentiert. Selbst was die Sicherheit angeht, scheint es cooler oder erfahrener zu sein auf einen Helm, oder eine Sicherung, oder gleich ganz auf einen Rucksack zu verzichten. Ein Tänzchen auf dem Spielplatz „Berg“ vor dem man eigentlich Respekt haben sollte. Habe mich hierzu schon geäußert.
Muss sportlich = Wettkampf bedeuten?
Doch muss man sich eingestehen: Leben und leben lassen! Ich möchte auf keinen Fall irgendwem vorschreiben wie er seiner Leidenschaft nachgehen soll. Es gibt schon immer Wettkämpfe und ich kann das verstehen, wenn es einem Spaß macht. Egal ob man seine eigene Leistung übertrifft oder die der Anderen. Wer den Wettkampf liebt soll ihn leben, doch sollte er sich besinnen, dass nicht alle mit ihm kämpfen wollen. Und schneller am Berg zu sein heißt auch nicht ein besserer Mensch zu sein. Wer kann stolz auf seine Leistung sein und trotzdem Freunde haben, die es nicht sind?
Finde das ist ein wichtiger Kern meiner Aussage: Kann ich mich mit Menschen gut verstehen, die die Berge zum reinen Ort der Erholung nutzen und nicht annähernd so fit und schnell sind wie man selbst? Und kann ich auch mit ihnen eine Tour gehen und auf sie Rücksicht nehmen? Ich habe festgestellt, dass genau daran sehr viele scheitern. Wettkämpfer sucht Gleichgesinnten und Bergschnecke ebenso, oder? Da es eben viele Level gibt, streitet man sich oft über Gehzeiten, und der Klassifizierung des Schwierigkeitsgrads, dabei hat jeder eine ganz andere Vorstellung davon. Kann man auch darauf Rücksicht nehmen?
Frieden finden
Genau dort sehe ich meine Herausforderung! Wie kann ich mich möglichst so verhalten, dass ich meine Leistungen verbessere, und trotzdem realistisch bleibe? Wie kann ich meine eigenen Fähigkeiten unberücksichtigt lassen, wenn ich jemanden eine Tour empfehle?
Ich habe etwas unter dem Druck der Berggruppen gelitten, muss ich zugeben. Doch als ich in Nepal war, fern der westlichen Kultur, hat sich etwas in mir geändert. Es gab da diesen Moment der Erkenntnis, mitten auf dem Trail: Ich war plötzlich absolut und zu 100% zufrieden mit mir und mit dem was ich wie tue, obwohl das jetzt keine Rekord-Tour war.
Als ich dann im Flieger zurück über die Alpen flog, hatte ich eine lange Pause von Facebook und ich stellte jetzt fest, dass ich mich von all dem absolut distanziert hatte. Ich habe auf der Reise gelernt, was für mich wirklich zählt: Und das war nicht meine Leistung, sondern viel mehr die Zeit mit meinen Freunden, die Höhepunkte des Abenteuers, die Momente des Staunens über die Berge, die Erinnerung an die Menschen denen man begegnete und die Verschmelzung mit der Natur.
Was für mich heute wirklich zählt am Bergsport, ist es mit mir selbst zufrieden zu sein, schöne Abende mit meinen Freunden zu verbringen, nette neue Leute kennen zu lernen und vor allem die Leute nicht mehr nach ihrer Leistung zu sortieren. Der Berg ist nicht mehr der Sportplatz, sondern mein Zuhause. Aber der Berg ist nicht alles im Leben, nein er ist nur ein winziger Teil des Lebens. Das Leben findet dort statt wo eben genau die Leute sind, die nicht verstehen was wir da draußen treiben. „langweilige Seilbahn-Touristen“ wenn man so will ;-) Man hat sich nur so weit davon entfernt, dass man glaubt etwas Besseres geworden zu sein.
Doch trotzdem werde ich am Berg immer wieder die Leistung Anderer präsentiert bekommen. Dann füttere ich die Bedürftigen mit Lob und nähre mich an Bescheidenheit, denn ich bin zufrieden und meine Leistung zählt für mich nicht mehr so sehr. Und so habe ich auch endlich wieder zurück gefunden zu meiner alten Denkweise, die ich zwischenzeitlich verloren hatte.
Zum Originalbeitrag der Headshaker's geht's hier : https://www.headshaker.de/unit.php?ID=442
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